Nach
schwerer Krankheit ist am vergangenen Samstag der Ehrenbürger des Marktes
Beratzhausen, Altbürgermeister und Träger des Ehrenrings Franz Xaver
Staudigl im Alter von 84 Jahren verstorben Der Markt Beratzhausen, die
Unabhängigen Bürger Beratzhausen, alle Vereine und die Bürger werden mit
einem Festakt und anschließenden Trauergottesdienst von einem Menschen
Abschied nehmen, der den Markt Beratzhausen wie wohl kein zweiter geprägt
hat.
Schon früh begann das
politische Wirken Staudigls als er im Jahr 1956 als jüngster Bürgermeister
in Bayern mit 51,5 Prozent gewählt wurde. Als ihn vier Jahre später 98,5
Prozent der Bürger ihre Stimme gaben, muss schon in dieser kurzen Zeit
entscheidendes passiert sein. In rückblickenden Gesprächen betonte
Staudigl gerne, dass es für einen Bürgermeister darauf ankomme, einen
Bürgergeist zu schaffen. In seiner Anfangszeit war der Übergang von der
alten Zeit zur neuen technisch geprägten Zeit zu bewältigen. Die
Gemeindegebietsreform, die Schulreform, die Verbesserung der Strom- und
Wasserversorgung, die Erarbeitung von Flächennutzungspläne und
Bauleitpläne meisterte Staudigl mit Bravour. Seine vorausschauende Arbeit
brachte dem Markt reiche Ernte bei einer optimalen Infrastruktur, bei
zahlreichen Betriebsansiedlungen und enormen Entwicklungen im
Fremdenverkehr.
Bürgergeist durch Geschichtsbewußtsein
"Die
Persönlichkeit des Bürgermeisters muss sich viel erfahrbar machen und den
Bürgern nicht nur nach dem Mund reden", betonte Staudigl in einem
Interview mit der MZ. Dazu hatte er immer wieder den Mut und setzte auch
gegen Widerstände die richtigen Akzente. Für die Entwicklung von
Bürgergeist war es ihm wichtig, stolz auf die eigene Geschichte zu sein.
Die Geschichtsforschung soll den Bürgern das hierzu erforderliche Wissen
zur Verfügung stellen. Durch den Denkmalschutz können Politiker dieses
Bewußtsein stärken. Nach dem zweiten Weltkrieg galt es für Staudigl, „den
Begriff des Honoratioren-Bürgers und den des Neubürgers
(Heimatvertriebene, Flüchtlinge, Evakuierte usw.) zum staatsrechtlichen
Bürgerbegriff zu verschmelzen und lebendig zu machen". Grundlage war
hierfür die Schaffung von Geschichtsbewußtsein, das es damals nicht gab,
weil die Heimatgeschichte nicht erforscht war. Die 1100-Jahr-Feiern im
Jahr 1966 nutzte Staudigl hierzu ganz gezielt. Er gab ein Buch über
"Elfhundert Jahre Beratzhausen" bei Dr. Robert Dollinger in Auftrag. Nach
und nach veröffentlichte Staudigl selbst Artikel über die Heimatgeschichte
im örtlichen Mitteilungsblatt. Sein Ziel war es, neben den
wissenschaftlichen Arbeiten Heimatgeschichte verständlich zu vermitteln.
Seine zahlreichen Beiträge bildeten die Stoffsammlung für das
Heimatgeschichtslexikon, das er 1996 herausgab. Im Jahr 2005 schenkten ihm
die Beratzhausener Vereine zu seinem 80. Geburtstag ein Buch mit weiteren
Artikeln von ihm zu Themen der Heimatgeschichte. Die Unabhängigen Bürger,
seine politische Heimat, schenkten ihm den „Franz Xaver Staudigl
Wanderweg“. Entlang der Laber laden Schilder mit Gedichten Staudigls zum
Verweilen und zum Nachdenken ein.
Beratzhausen Vorreiter im Landkreis
Für Staudigl hörte die Heimatliebe auf, wenn der Ort nicht vorwärts kommt.
Diese Erkenntnis trieb schon den jungen Bürgermeister an und sorgte dafür,
dass Beratzhausen als Vorreiter im Landkreis Parsberg und später im
Landkreis Regensburg galt: Erster berufsmäßiger Bürgermeister, erste
Gemeinde, die einen kommunalen Sportplatz geschaffen hat, erste Gemeinde,
die mit dem Mitteilungsblatt ein eigenes Publikationsorgan hatte, erster
Ort, der ein eigenes Verkehrsamt und die Anerkennung zum staatlich
anerkannten Erholungsort erhielt, der erste Ort, der ein modernes
Schwimmbad erbaute, in der Oberpfalz war Beratzhausen der erste Ort mit
einem Flächennutzungsplan und vieles mehr. Um dies zu erreichen waren
Wissen und auch Verbindungen erforderlich. Diese Verbindungen schuf er
durch seine Mitarbeit in einer Reihe von Ausschüssen: Der Hauptausschuss
des Städte und Gemeindebundes, der Ausschuss für Bau- und Wohnungswesen,
der Landesausschuss des Bayerischen Gemeindetages und der Kreistag
Regensburg sind nur einige Beispiele.
Partnerschaft im
Sinne der Versöhnung
Dass eine Persönlichkeit wie Xaver Staudigl, der der die eigene Kultur in
Erinnerung hielt, auch eine zukunftsweisende Kulturarbeit initiierte,
versteht sich fast von selbst. Bei der Gründung der Partnerschaft mit dem
französischen Ceyrat war er treibende Kraft. Geprägt von eigenen
Kriegserfahrungen, Staudigl wurde zweimal verwundet und mit dem EK II
ausgezeichnet, stand vor 35 Jahren die Partnerschaft vor allem im Zeichen
der Versöhnung. Auch dieses Vorhaben schrieb eine Erfolgsgeschichte mit
vielen Ereignissen und führte zu Auszeichnungen des Marktes wie dem
Europadiplom, der Europafahne und schließlich den Titel „Europagemeinde“.
Neben seinen höchsten Auszeichnungen in der Gemeinde wurden Staudigls
Verdienste mit dem Bundesverdienstkreuz gewürdigt.
Der
Literat Staudigl
Reichen alle diese Erfolge schon für das Verfassen mehrerer Biografien,
setzte der Literat Franz Xaver Staudigl noch weitere künstlerische
Akzente. Die Grundlagen für seine Werke sind in seiner frühen Kindheit zu
finden Seine Mutter verstarb als Franz Xaver eineinhalb Jahre alt war. In
seiner schweren Kind- und Jugendzeit half ihm die Phantasie, die
Wirklichkeit immer etwas besser zu erleben, als sie tatsächlich war. Er
erträumte sich immer wieder seine Märchenwelt. In der grausamen Zeit des
Krieges hat ihm die Fähigkeit zum Träumen immer wieder geholfen. In dieser
Zeit schrieb er schon erste Gedichte. Auch in der späteren praktischen
Arbeit war es für ihn die beste Erholung, sich in der Phantasie etwas
Besseres zu erschaffen.
Verbundenheit mit der
Heimat
Es ist eine
Fügung, dass erst vor wenigen Tagen der Oberpfälzer Heimatspiegel 2010
erschien, in dem die Literaturwissenschaftlerin Dr. Christine Riedl-Valder
„Beratzhausener Skizzen“ zum Schaffen des Heimatschriftstellers Franz
Xaver Staudigl veröffentlicht. Sie verdeutlicht, dass das Bewusstsein
einer starken unauflösbaren Verbundenheit mit seiner Heimat im Labertal
kennzeichnend ist für sein gesamtes Schaffen als Autor von Prosa- und
Lyriktexten sowie lokalgeschichtlicher Publikationen. So schließt sich der
Kreis des Kommunalpolitikers, Heimatforschers und des Literaten, für den
ein Talent das andere bereicherte. Oder wie Franz Xaver Staudigl es selbst
zum Ausdruck brachte: "Der verantwortungsbewusste Mensch muss träumen"!
Vita
-
Geboren am 27. März
1925
-
1956 bis 1984
Bürgermeister Markt Beratzhausen
-
1990 Ernennung zum
Altbürgermeister
-
1995 Ernennung zum
Ehrenbürger des Marktes Beratzhausen
-
Franz Xaver Staudigl
wurde mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland
ausgezeichnet.
Verfasser folgender Werke:
-
Beratzhausener
Weihnacht, 1976
-
Beratzhausener
Skizzen, 1978
-
Werkstatt Zeit, 1981
-
Texte über Liebe,
1988
-
Beschreibungen, 1993
-
Weihnachtsgalerie,
1993
-
Markt Beratzhausen,
Ein Führer durch Landschaft, Geschichte und Kultur, 1993
-
Heimatgeschichtslexikon des Marktes Beratzhausen, 1996
Kinderland Labertal
Tief ins raue Land
geschnitten
Fließt der Fluss.
Seine Wasser spiegeln
die Erinnerung
An tausende von
kleinen Schritten
Mit traumhaft leichten
Fuß.
An den Felsen kleben
Kinderträume
Und auch ungeteiltes
Leid.
Beschwörungen im Winde
wehen.
Die Wolken flüstern es
Und auch die Bäume:
Alles ein Geschenk der
Zeit.
Franz Xaver Staudigl,
1994 |