Zum Tod von Franz-Xaver Staudigl

Beratzhausen verneigt sich vor seinem Ehrenbürger

von Michael Eibl

Beratzhausen, Oktober 2009

Nach schwerer Krankheit ist am vergangenen Samstag der Ehrenbürger des Marktes Beratzhausen, Altbürgermeister und Träger des Ehrenrings Franz Xaver Staudigl im Alter von 84 Jahren verstorben  Der Markt Beratzhausen, die Unabhängigen Bürger Beratzhausen, alle Vereine und die Bürger werden mit einem Festakt und anschließenden Trauergottesdienst von einem Menschen Abschied nehmen, der den Markt Beratzhausen wie wohl kein zweiter geprägt hat.

Schon früh begann das politische Wirken Staudigls als er im Jahr 1956 als jüngster Bürgermeister in Bayern mit 51,5 Prozent gewählt wurde. Als ihn vier Jahre später 98,5 Prozent der Bürger ihre Stimme gaben, muss schon in dieser kurzen Zeit entscheidendes passiert sein. In rückblickenden Gesprächen betonte Staudigl gerne, dass es für einen Bürgermeister darauf ankomme, einen Bürgergeist zu schaffen. In seiner Anfangszeit war der Übergang von der alten Zeit zur neuen technisch geprägten Zeit zu bewältigen. Die Gemeindegebietsreform, die Schulreform, die Verbesserung der Strom- und Wasserversorgung, die Erarbeitung  von Flächennutzungspläne und Bauleitpläne meisterte Staudigl mit Bravour. Seine vorausschauende Arbeit brachte dem Markt reiche Ernte bei einer optimalen Infrastruktur, bei zahlreichen Betriebsansiedlungen und enormen Entwicklungen im Fremdenverkehr.

Bürgergeist durch Geschichtsbewußtsein
"Die Persönlichkeit des Bürgermeisters muss sich viel erfahrbar machen und den Bürgern nicht nur nach dem Mund reden", betonte Staudigl in einem Interview mit der MZ. Dazu hatte er immer wieder den Mut und setzte auch gegen Widerstände die richtigen Akzente.  Für die Entwicklung von Bürgergeist war es ihm wichtig, stolz auf die eigene Geschichte zu sein. Die Geschichtsforschung soll den Bürgern das hierzu erforderliche Wissen zur Verfügung stellen. Durch den Denkmalschutz können Politiker dieses Bewußtsein stärken. Nach dem zweiten Weltkrieg galt es für Staudigl, „den Begriff des Honoratioren-Bürgers und den des Neubürgers (Heimatvertriebene, Flüchtlinge, Evakuierte usw.) zum staatsrechtlichen Bürgerbegriff zu verschmelzen und lebendig zu machen". Grundlage war hierfür die Schaffung von Geschichtsbewußtsein, das es damals nicht gab, weil die Heimatgeschichte nicht erforscht war. Die 1100-Jahr-Feiern im Jahr 1966 nutzte Staudigl hierzu ganz gezielt. Er gab ein Buch über "Elfhundert Jahre Beratzhausen" bei  Dr. Robert Dollinger in Auftrag. Nach und nach veröffentlichte Staudigl selbst Artikel über die Heimatgeschichte im örtlichen Mitteilungsblatt. Sein Ziel war es, neben den wissenschaftlichen Arbeiten Heimatgeschichte verständlich zu vermitteln. Seine zahlreichen Beiträge bildeten die Stoffsammlung für das Heimatgeschichtslexikon, das er 1996 herausgab. Im Jahr 2005 schenkten ihm die Beratzhausener Vereine zu seinem 80. Geburtstag ein Buch mit weiteren Artikeln von ihm zu Themen der Heimatgeschichte. Die Unabhängigen Bürger, seine politische Heimat, schenkten ihm den „Franz Xaver Staudigl Wanderweg“. Entlang der Laber laden Schilder mit Gedichten Staudigls zum Verweilen und zum Nachdenken ein.

Beratzhausen Vorreiter im Landkreis
Für Staudigl hörte die Heimatliebe auf, wenn der Ort nicht vorwärts kommt. Diese Erkenntnis trieb schon den jungen Bürgermeister an und sorgte dafür, dass Beratzhausen als Vorreiter im Landkreis Parsberg und später im Landkreis Regensburg galt: Erster berufsmäßiger Bürgermeister, erste Gemeinde, die einen kommunalen Sportplatz geschaffen hat, erste Gemeinde, die mit dem Mitteilungsblatt ein eigenes Publikationsorgan hatte, erster Ort, der ein eigenes Verkehrsamt und die Anerkennung zum staatlich anerkannten Erholungsort erhielt, der erste Ort, der ein modernes Schwimmbad erbaute, in der Oberpfalz war Beratzhausen der erste Ort mit einem Flächennutzungsplan und vieles mehr. Um dies zu erreichen waren Wissen und auch Verbindungen erforderlich. Diese Verbindungen schuf er durch seine Mitarbeit in einer Reihe von Ausschüssen: Der Hauptausschuss des Städte und Gemeindebundes, der Ausschuss für Bau- und Wohnungswesen, der Landesausschuss des Bayerischen Gemeindetages und der Kreistag Regensburg sind nur einige Beispiele.

Partnerschaft im Sinne der Versöhnung
Dass eine Persönlichkeit wie Xaver Staudigl, der der die eigene Kultur in Erinnerung hielt, auch eine zukunftsweisende Kulturarbeit initiierte, versteht sich fast von selbst. Bei der Gründung der Partnerschaft mit dem französischen Ceyrat war er treibende Kraft. Geprägt von eigenen Kriegserfahrungen, Staudigl wurde zweimal verwundet und mit dem EK II ausgezeichnet, stand vor 35 Jahren die Partnerschaft vor allem im Zeichen der Versöhnung. Auch dieses Vorhaben schrieb eine Erfolgsgeschichte mit vielen Ereignissen und führte zu Auszeichnungen des Marktes wie dem Europadiplom, der Europafahne und schließlich den Titel „Europagemeinde“. Neben seinen höchsten Auszeichnungen in der Gemeinde wurden Staudigls Verdienste mit dem Bundesverdienstkreuz gewürdigt.

Der Literat Staudigl
Reichen alle diese Erfolge schon für das Verfassen mehrerer Biografien, setzte der Literat Franz Xaver Staudigl noch weitere künstlerische Akzente.  Die Grundlagen für seine Werke sind in seiner frühen Kindheit zu finden Seine Mutter verstarb als Franz Xaver eineinhalb Jahre alt war. In seiner schweren Kind- und Jugendzeit half ihm die Phantasie, die Wirklichkeit immer etwas besser zu erleben, als sie tatsächlich war. Er erträumte sich immer wieder seine Märchenwelt. In der grausamen Zeit des Krieges hat ihm die Fähigkeit zum Träumen immer wieder geholfen. In dieser Zeit schrieb er schon erste Gedichte. Auch in der späteren praktischen Arbeit war es für ihn die beste Erholung, sich in der Phantasie etwas Besseres zu erschaffen.

Verbundenheit mit der Heimat
Es ist eine Fügung, dass erst vor wenigen Tagen der Oberpfälzer Heimatspiegel 2010 erschien, in dem die Literaturwissenschaftlerin Dr. Christine Riedl-Valder „Beratzhausener Skizzen“ zum Schaffen des Heimatschriftstellers Franz Xaver Staudigl veröffentlicht. Sie verdeutlicht, dass das Bewusstsein einer starken unauflösbaren Verbundenheit mit seiner Heimat im Labertal kennzeichnend ist für sein gesamtes Schaffen als Autor von Prosa- und Lyriktexten sowie lokalgeschichtlicher Publikationen. So schließt sich der Kreis des Kommunalpolitikers, Heimatforschers und des Literaten, für den ein Talent das andere bereicherte. Oder wie Franz Xaver Staudigl es selbst zum Ausdruck brachte: "Der verantwortungsbewusste Mensch muss träumen"!

Vita

  • Geboren am 27. März 1925
     

  • 1956 bis 1984 Bürgermeister Markt Beratzhausen
     

  • 1990 Ernennung zum Altbürgermeister
     

  • 1995 Ernennung zum Ehrenbürger des Marktes Beratzhausen
     

  • Franz Xaver Staudigl wurde mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.

Verfasser folgender Werke:

  • Beratzhausener Weihnacht, 1976

  • Beratzhausener Skizzen, 1978

  • Werkstatt Zeit, 1981

  • Texte über Liebe, 1988

  • Beschreibungen, 1993

  • Weihnachtsgalerie, 1993

  • Markt Beratzhausen, Ein Führer durch Landschaft, Geschichte und Kultur, 1993

  • Heimatgeschichtslexikon des Marktes Beratzhausen, 1996

 

Kinderland Labertal

 Tief ins raue Land geschnitten

Fließt der Fluss.

Seine Wasser spiegeln die Erinnerung

An tausende von kleinen Schritten

Mit traumhaft leichten Fuß.

An den Felsen kleben Kinderträume

Und auch ungeteiltes Leid.

Beschwörungen im Winde wehen.

Die Wolken flüstern es

Und auch die Bäume:

Alles ein Geschenk der Zeit.

 

Franz Xaver Staudigl, 1994